Paarzeit bewusst verbringen

Die gemeinsame Zeit zu zweit bewusst verbringen

Zeit ist mittlerweile eine knappe Ressource. Unter den hohen Anforderungen im Alltag findet man häufig nicht genug Zeit für Zweisamkeit mit dem Partner. Die gemeinsame Zeit ist aber eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine langfristige und erfüllte Partnerschaft. Sich bewusst Zeit für den anderen zu nehmen, sich auszutauschen und gemeinsam Aktivitäten zu unternehmen, fördern Nähe und Intimität zwischen den Partnern. Die miteinander verbrachte Zeit bietet eine Grundlage für gemeinsame Erfahrungen und trägt somit zu einem Wir-Gefühl bei. Gemeinsam erlebte Momente sind die Bausteine der Paargeschichte und -identität.

Gemeinsame Zeit: Quantität vs. Qualität

Eine höhere Menge an gemeinsamer Zeit reicht aber noch nicht aus für eine erfüllende Paarbeziehung. Es kommt darauf an, wie man die Zeit gemeinsam verbringt.

Alleine die Quantität der Paarzeit verbessert die Beziehung nicht zwangsläufig und es kann sich unter Umständen sogar negativ auf die Beziehung auswirken. Eine Studie zeigte zum Beispiel, dass gemeinsame alltägliche Aktivitäten, die wenig Potential für Neues beinhalten, die Gefahr von Langeweile bergen, die dann auf den Partner zurückgeführt wird. Viel wichtiger ist die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit. Die Ergebnisse vieler Studien deuten darauf hin, dass angenehm verbrachte Zeit mit dem Partner langfristig zur Zufriedenheit beider Partner führt.

Wie viel gemeinsame Zeit verbringen?

Während ein Mangel an Zeit mit dem Partner zur Entfremdung führen kann, kann zu viel gemeinsam verbrachter Zeit zu einer emotionalen Symbiose mit dem Partner führen und folglich zu wenig persönlicher Eigenständigkeit. Für eine optimale Beziehung empfehlen die Experten eine Balance zwischen Zusammenhalt und Freiheit in der Partnerschaft. Es gibt aber kein allgemein gültiges Rezept, wie viele Stunden am Tag oder in der Woche Paare zusammen verbringen sollten. Vielmehr hängt das von der individuellen Bedürfnislage der Partner ab sowie von den Rahmenbedingungen, wie der beruflichen oder familiären Situation. Diese können im Laufe der Zeit und bei geänderten Umständen variieren. Somit muss das optimale Maß von gemeinsamer Zeit immer wieder neu reflektiert und angepasst werden.

Das optimale Maß an gemeinsamer Zeit muss immer wieder neu angepasst werden.

Zeit als Ressource für die Beziehung

Die in der Beziehung investierte Zeit erhöht das Gefühl von Zusammenhalt und Stabilität sowie die Motivation, die Beziehung aufrecht zu erhalten. Entscheidet sich der eine Partner für eine gemeinsame Zeit oder Aktivität statt für andere Alternativen, zeigt er Interesse und Bedürfnis nach Nähe. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der andere Partner ebenso Zeit und Energie in die Beziehung investiert. Das belegen auch Studien, die zeigen, dass Partner, die ihre Zeit lieber in individuellen anstatt gemeinsamer Freizeitaktivitäten investieren, unzufriedener mit der Beziehungsqualität sind und häufigere Paarkonflikte haben.

Negative Folgen von Alltagsstress auf die gemeinsame Zeit

Entfremdung

Chronischer Alltagsstress kann schnell zu einer gegenseitigen Entfremdung in der Beziehung führen. Oft ist dieser Prozess schleichend und wird von den Partnern zu spät ernst genommen. Der chronische Stress zerstört langsam die intime Beziehung, führt zu Unzufriedenheit beider Partner und kann letztlich sogar der zündende Auslöser für eine Trennung sein.

Alltagsstress wirkt sich auf zwei Weisen negativ auf die Beziehung auf. Zum einen haben Paare mit viel Stress weniger Zeit und dadurch weniger Möglichkeiten, Freizeitaktivitäten gemeinsam nachzugehen. Zum anderen fehlt es den gestressten Partnern die Ruhe, um die Nähe und die Zweisamkeit zu genießen. Darüber hinaus können die stressbedingte Reaktionen oder Verhalten zu Missverständnissen und Spannung zwischen den Partnern führen.

Sexualität

Auch das Sexualleben des Paares leidet unter dem Dauerstress und Zeitmangel. In einer Studie fand der Beziehungsforscher Prof. Dr. Guy Bodenmann heraus, dass die sexuelle Aktivität der teilnehmenden Paare von ihrem täglichen Stressniveau abhängt. Je mehr Stress und je weniger Zeit Paare haben, desto niedriger bleibt die sexuelle Lust und die tatsächliche sexuelle Aktivität. Eine erfüllte Sexualität ist jedoch ein wichtiger Aspekt für die Zufriedenheit in der Beziehung, die die Bindung zwischen den Partnern stärkt und stabilisiert. Auf diese Weise kann der Alltagsstress zusätzlich die Beziehung belasten.

Zeitraubende Faktoren

Wie viel Zeit einem Paar durchschnittlich zur Verfügung steht, wird vorwiegend durch die Arbeitsbelastung und die Kinder bestimmt.

Arbeit als Stressquelle

Durch die Entwicklung der Technologien und durch die Globalisierung ist eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit für viele schwieriger geworden. Die ständige Erreichbarkeit, die Informationsüberflutung und die erhöhten Leistungsansprüche auf der Arbeit führen zu einer erhöhten Belastung im Vergleich zu früher. Die Konsequenzen für die Beziehung spüren viele Paare – wenig freie Zeit, innere Anspannung, erhöhte Reizbarkeit und folglich mehr Konflikte. In der Extremform raubt ein hektischer stressiger Alltag nicht nur ein Teil unserer Freizeit, sondern macht uns auch unfähig, diese zu genießen. Hier erfahren Sie, was Sie tun können, wenn Ihr Partner gestresst ist.

Kinder als Stressquelle

Wenn ein Paar Kinder bekommt, verteilt sich die gemeinsame Zeit gezwungenermaßen anders. Das neue Mitglied der Familie nimmt viel Zeit in Anspruch, so dass diese Zeit bei der Paarzeit fehlt. Besonders bei Paaren mit kleinen Kindern ist die Zeit für Zweisamkeit eine sehr knappe Ressource. Viele Eltern sind in dieser Phase nur „am Funktionieren“ und finden wenig Zeit für erholsame Freizeitaktivitäten zu zweit. Unter der ständigen Anwesenheit der Kinder bleibl für tiefgründige Gespräche und Intimität entsprechend wenig Raum. Die Bedürfnisse der Kinder werden vor der eigenen gestellt, die persönlichen und die partnerschaftlichen Aktivitäten treten in den Hintergrund. Die Verlagerung des Fokus der Beziehung vom ‚Paar sein‘ zu ‚Eltern sein‘ bringt neben der Einschränkung der Paarzeit oft eine starke Reduktion der Beziehungsqualität und –zufriedenheit mit sich. Um die Balance in der Beziehung zu behalten, ist eine neue Verteilung der gemeinsamen Zeit notwendig – in Paar- und Familienzeit .

Mediennutzung

Ein weiterer Faktor, der die gemeinsame Zeit als Paar negativ beeinflusst, ist die Internetnutzung. Das Internet bietet viel Ablenkung durch die Möglichkeiten der Informationsgewinnung, Unterhaltung und sozialer Interaktion.

Studien zeigten, dass Familien, die mehr Zeit im Internet verbringen, später weniger Kontakte außerhalb der online Welt hatten und weniger direkte Kommunikation innerhalb der Familie. Dazu entwickelten sie depressive Symptome und Einsamkeitsgefühle. Die Handy- und Computernutzung in Anwesenheit des Partners ist für viele Paare ein Konfliktthema, da die reine physische Anwesenheit nicht als qualitative Paarzeit erlebt wird, wenn der Partner dabei psychisch abwesend ist.

Gemeinsame Paarzeit bewusst gestalten

Häufig wird ein Zeitmangel beklagt, wenn es um die Paarzeit geht. Dabei ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Zeit eine begrenzte und nicht ausdehnbare Ressource ist. Das heißt, man muss Prioritäten setzen und die Zeit entsprechend aufteilen. Wer sich mehr Zufriedenheit in der Beziehung wünscht, muss auch Zeit in die Partnerschaft investieren.

Viele Paare haben unrealistische Vorstellungen und Erwartungen von gemeinsamer Zeit. Peter Fraenkel, ein amerikanischer Paartherapeut, beschreibt drei weit verbreitete Zeitmythen:

1. Der Mythos der Spontanität von Paarzeit

Da im hektischen beruflichen Alltag oft alles durchgetaktet ist, weigern sich viele auch im Privatleben ihre Zeit zu verplanen und erwarten, dass sich die qualitative Zeit mit dem Partner spontan ergeben muss. Viele finden es unromantisch, sich bewusst Zeit für Nähe und Intimität zu nehmen und das regelmäßig einzuplanen. Aber gerade wenn die Zeit so eine knappe Ressource ist, macht es viel Sinn, diese Zeit bewusst zu gestalten.

Um gemeinsame qualitative Zeit zu haben müssen die Partner diese regelmäßig einplanen

Um Zeit zu finden, muss man sie sich aktiv nehmen und aufpassen, dass diese Zeit nicht durch anderen Einflüssen geraubt wird. Fraenkel rät: Um gemeinsame qualitative Zeit zu haben müssen die Partner diese regelmäßig einplanen. Feste „Zeitinseln“ für die Partnerschaft zu reservieren und sie als feste Bestandteile in den Alltagsplan zu integrieren, hilft die Beziehungsqualität zu verbessern. In diesen gemeinsamen Zeitfenstern kann es dann auch Raum für spontane Gestaltung der Zeit geben.

2. Der Mythos der Perfektion

Der zweite Mythos ist, dass sich mit der richtigen Planung und effizienter Nutzung der Zeit, alles unter einen Hut bringen lässt. Personen, die das glauben, versuchen durch Multitasking alle Aufgaben – Arbeit, Haushalt, Kinder, Partner, persönliche Interessen, soziale Kontakte, gleich gut zu berücksichtigen. Die Forschung zeigt jedoch, dass Multitasking zu einem Leistungsabfall, mehr Stress und weniger Zufriedenheit führt. Der Anspruch, alles gleichzeitig tun zu können, ist eine Illusion. Zeit ist eine limitierte Ressource und man kann in 24 Stunden nicht alles bewerkstelligen. Anstatt zu versuchen, alles gleichzeitig zu erledigen, empfiehlt Peter Fraenkel eine bewusste Entscheidung zu treffen, wie man seine Zeit investiert, auch wenn diese Entscheidung manchmal schwierig sein kann. Für Paare bedeutet das eine gemeinsame Entscheidung über die kurz- und langfristigen Prioritäten und der Zeitverteilung für die beruflichen Aufgaben, gemeinschaftlichen Aktivitäten, Hobbys etc. Bei unterschiedlichen Prioritäten ist eine offene und lösungsorientierte Haltung wichtig, um faire Kompromisse zu finden.

3. Der Mythos der Kontrollierbarkeit

Der Mythos der Kontrollierbarkeit beschreibt die Vorstellung, dass man seine Zeit immer und vollständig selbst bestimmen kann. Damit setzt man sich selbst und den Partner unter Druck, macht sich Vorwürfe bei Zeitmangel und bemängelt das Zeitmanagement oder die Prioritätensetzung des Partners. Aber auch beim besten Management lässt sich Zeit nicht hundertprozentig kontrollieren.

Statt mit Kritik, sollen die Partner die gemeinsame Zeit mit positiven Aktivitäten verbringen.

Oft gibt es viele äußere Umstände, die unser Handeln beeinflussen oder hindern, die vorher nicht eingeplant werden konnten, wie z.B. zusätzliche Aufgaben auf der Arbeit, weil ein Kollege krank ist, oder ein Unfall auf der Autobahn oder ein Rohrbruch zu Hause. Diese Erkenntnis soll die Ansprüche an sich selbst und den Partner relativieren. Statt sich und dem Partner Vorwürfe zu machen, sollen die Partner die verbleibende gemeinsame Zeit nutzen und schön gestalten.

Artikel: Daniela Dvoretska

Quelle: Milek, A., Bodenmann, G. (2017): Gemeinsame Zeit in der Partnerschaft.

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