Die Fähigkeit, Lust und Ekstase beim Sex zu erleben, ist in jedem von uns vorhanden. Doch aus verschiedenen Gründen werden diese Erlebnisse verhindert. Eine erfüllte Sexualität setzt eine Befreiung von dysfunktionalen Einschränkungen im Denken voraus. Das Aufgeben von solchen Glaubenssätzen kann sogar auch körperliche oder sexuelle Blockaden lösen.
Glaubensmuster entstehen laufend während unserer Entwicklung. Die bilden sich als Ergebnis der Lernprozesse und der Erziehung. Jeder Mensch macht in seinem Leben unterschiedliche Erfahrungen – gute wie schlechte, die unterschiedliche Gefühle in ihm auslösen. Wir versuchen aus diesen Erfahrungen zu lernen und suchen nach Erklärungen, warum etwas passiert ist und was es verursacht hat. Diese Zuschreibungen von Ursachen sind Erklärungsversuche, die bei jedem ganz anders ausfallen können. So kommt es dazu, dass ein und dieselbe Erfahrung von unterschiedlichen Personen verschieden interpretiert und attribuiert wird. Z.B. wenn man einen Korb bekommt, legt der eine es als „Pech“ aus, während der andere denkt, er war nicht genug attraktiv oder überzeugend.
Wenn man im Leben mehrmals die gleichen Erfahrungen macht, verfestigen sich unsere Erklärungen über das Entstehen von bestimmten Mustern. So werden sie irgendwann zu Verallgemeinerungen und Überzeugungen. Z.B. jemand, der drei Mal nacheinander einen Korb bekommen hat, könnte diese Erfahrung generalisieren und anfangen zu glauben, dass er jemand ist, der nie Erfolg beim anderen Geschlecht hat. Unsere Überzeugungen beeinflussen aber wiederum unsere Erwartungen und damit auch unser Handeln. Im oberen Beispiel könnte das dazu führen, dass derjenige keine weiteren Versuche wagt, mit jemandem zu flirten.
Unsere Glaubenssätze beschränken sich nicht nur auf unser Verhalten, sondern versuchen auch das Verhalten von den anderen Menschen oder generell die Prozesse in unserer Umwelt zu erklären. Ein Teil von den Glaubenssätzen bekommen wir im Laufe unserer Erziehung von unseren Eltern, Lehrern oder anderen wichtigen Personen, andere entstehen dagegen aus den eigenen Erfahrungen und Erklärungsmodellen. Beispiele für Glaubenssätze sind „Gefühle zu zeigen, ist ein Zeichen von Schwäche“, „Um etwas zu bitten, ist aufdringlich“, „Ich bin nur liebenswert, wenn ich was leiste“, „Wenn ich nicht perfekt bin, dann bin ich ein Versager“, „Ich kann niemandem trauen“, „Ich bin es nicht wert, zu bekommen, was ich möchte“.
Im Grunde genommen helfen uns die Glaubessätze aus unserer oder aus fremder Erfahrung zu lernen und schützen uns vor zukünftigen Fehlern. Manchmal verfestigen sich aber Grundüberzeugungen, die nicht in der Realität geprüft werden und an der jeweiligen individuellen Situation angepasst werden. Solche Glaubenssätze können uns dann blockieren und uns schaden. Wichtig ist deshalb, die Glaubenssätze ab und zu zu hinterfragen und wenn nötig zu korrigieren.
Besonders beim Thema Sexualität entstehen im Laufe der Erziehung viele einschränkende Überzeugungen und Tabus, die uns zwar bei der Sozialisation helfen, aber möglicherweise zu Hemmungen im Bett führen. Im Folgenden sind zehn häufige Glaubenssätze aufgelistet, die zu sexuellen Blockaden führen können:
Viele glauben, dass in einer guten sexuellen Beziehung alles wie geschmiert läuft und der Partner gegenseitigen Wünsche und Vorlieben spüren. Besonders Frauen sind oft Opfer dieses falschen Glaubens und erwarten vom Partner, dass er erkennen soll, was ihnen gefällt. Am besten ohne darüber reden zu müssen. Leider besitzt aber nicht jeder Partner hellseherische Fähigkeiten und kann die Gedanken vom anderen lesen. Viel einfacher ist es daher für beide Partner, wenn sie die eigenen Empfindungen und Vorlieben dem Partner in sinnlichen Zwiegesprächen zugänglich machen und somit das gegenseitige Erforschen des Körpers des anderen erleichtern.
Die vielen Ratgeber, Bücher, Videos und anderen Informationsquellen, die uns Methoden und Techniken, Tricks und Tipps zum Thema Sex anbieten, erwecken den Glauben, dass es auf die richtige Technik ankommt. Das Gefühl, dass man nicht die “richtige” Technik hat, kann schnell zu einer sexuellen Blockade führen. Fakt ist aber, dass jeder Mensch unterschiedlich sowohl in seinem Körperbau, als auch in seinen Vorlieben und Erlebniswelt ist, so dass es schwierig ist allgemeingültige Bett-Regeln zu geben. Was bei dem einen Partner gut ankommt, wird möglicherweise von einem anderen nicht gemocht. Umso wichtiger ist es für das Paar, die Vorlieben des Partners zu erforschen, um im gemeinsamen Spiel eine erfüllende Sexualität zu erreichen.
Eine weitere Grundüberzeugung besteht in dem Verfolgen eines bestimmten idealen Musters, nach dem der Sex ablaufen sollte, z.B. dass der sexuelle Akt in einem gemeinsamen Orgasmus endet. So eine feste Vorstellung verhindert aber die Spontanität und das Erleben der Intimität und Ekstase und führt zu einer verkrampften Verfolgung des Idealbilds.
Tatsächlich haben aber die meisten Männer und Frauen unterschiedliche Rhythmen, die sich nicht von selbst aneinander anpassen. In einem sexuellen Akt sollte der Orgasmus nicht das primäre Ziel sein. Vielmehr sollte ein Raum geschaffen werden, in dem sich die Partner trauen, sich zu öffnen, um eine tiefe und beglückende Sexualität erleben zu können.
Eine andere ideale Vorstellung ist, dass sich die Erotik und die Leidenschaft von alleine in der Situation ergeben sollen. Wer diesen Glaubenssatz hat, ist überzeugt, dass erotische Anziehung nicht absichtlich erzeugt werden sollte, weil das unnatürlich wäre. Das mag zwar eine romantische Haltung sein, die aber auch mit einer gewissen Hilflosigkeit verbunden ist. Die Beteiligten sind dem Schicksal ausgeliefert und haben keinen Einfluss auf das Geschehen. Das führt zu Enttäuschungen, wenn in der Situation die ersehnte erotische Stimmung nicht eintritt. Häufen sich solche Enttäuschungen, kann sich langfristig eine sexuelle Blockade zwischen den Partnern bilden.
Wer sich von der Haltung der natürlichen Entstehung der Erotik Abschied nimmt, kann zum eigenen Herrn seiner sexuellen Energie werden und öffnet seiner Sexualität neue Perspektiven.
Durch die in den Medien dargestellte Form von Sexualität entsteht bei vielen eine verzerrte Vorstellung vom Liebesspiel. Männern und Frauen strahlen eine hohe erotische Spannung aus, die zu einer leidenschaftlichen Begegnung der Körper führt, die Befriedigung muss sofort und explosiv erfolgen. Je wilder und ungehemmter der Sex, desto erotischer. Der Akt ähnelt Hochleistungssport, ruhelos und zielorientiert wird auf die Entladung hingearbeitet. Ein lauter und explodierender Orgasmus krönt die energischen Bemühungen und entlädt die aufgebaute Spannung.
Bei so einem Vorbild formt sich beim Zuschauer ein einseitiges Idealbild von Leidenschaft, in dem wenig Raum für einen liebevollen und gefühlsgeladenen Umgang miteinander bleibt. Da die Spannung nur im genitalen Bereich aufgebaut wird, beschränkt sich der Orgasmus auf eine lokale Entladung, bei der keine Ekstase entstehen kann.
Der Glaube, dass nur natürlicher Sex normal ist, schränkt das sexuelle Leben stark ein. In der Natur dient der Sex dem primären Ziel der Fortpflanzung. Entsprechend beschränkt sich dabei der Akt auf eine schnelle Befruchtung des Weibchens, bevor es ein anderes Männchen tut. Bei Menschen dagegen ist die sexuelle Begegnung mit vielen sozialbedingten Vorstellungen und Idealen verbunden, die entwickelt werden noch bevor die sexuellen Kontakte entstehen. Das bedeutet, dass unsere Sexualität durch unsere Sozialisation geprägt wird und durch unsere individuellen Vorlieben beeinflusst wird. Das macht sie aber auf keinen Fall unnatürlich. Alles ist beim sexuellen Spiel in Ordnung, solange es beiden Partnern gefällt.
Ein häufiges Problem ist die Trennung zwischen Liebe und Sex. Besonders Männer sind oft davon betroffen. Entweder erleben die Betroffenen Sex ohne liebende Gefühle, Intimität und Nähe oder sie empfinden Liebe, aber entwickeln keine erotische Leidenschaft für dieselbe Person. Das führt manchmal dazu, dass Liebe und Sex nicht mit demselben Partner gelebt werden können.
Diese Abspaltung der Sexualität entsteht aus den moralischen Vorstellungen, dass Liebe rein ist und Sex schmutzig und sitzt tief im Unterbewusstsein fest. So wird die Liebespartnerin verehrt und geachtet wie eine Heilige und der „schmutzige Sex“ wird wo anders ausgelebt.
Für eine erfüllte Sexualität ist es wichtig, dass man die eigenen Gefühle, sowohl positive, als auch negative zulässt und sie als Anteile der eigenen Persönlichkeit annimmt. Nur wer den inneren Kampf aufgibt und sich selbst akzeptiert, kann eine glückliche Partnerschaft haben.
Wer diese Grundüberzeugung hat, sieht den Sex als eine ernste Sache, bei der es nur Raum für erotische Gefühle gibt. Andere Emotionen wie Lachen, Weinen, Ruhe oder Wut werden als unangemessen empfunden und stören die Erotik.
Manchmal kommt es aber dazu, dass die sexuelle Energie andere Emotionen freisetzt. Zum Beispiel kann ein Orgasmus zum Lachen oder Weinen bringen. Oder unterdrückte alte Gefühle können befreit werden. Daher sollen Verhalten, die auf den ersten Blick vielleicht seltsam erscheinen, nicht sofort verurteilt werden, sondern mit dem Partner in Ruhe besprochen werden.
Diese strenge Rollenverteilung ist sehr verbreitet bei beiden Geschlechtern. Männer, die diesem Glaubenssatz folgen, fühlen sich für das Geschehen im Bett immer verantwortlich und können sich nicht fallen lassen. Frauen mit dieser Grundüberzeugung trauen sich nicht die Initiative beim Sex zu übernehmen und ihre Lust zu zeigen und sind auf die Lust und Laune ihres Partners angewiesen. So kann keiner seine volle Sexualität entfalten.
Die Rollenbilder und Vorstellungen loszulassen und im Sex sowohl passiv, als auch aktiv sein zu können, ermöglicht neue Erlebnisse und befreit die Sexualität.
Besonders unter den Männern herrscht die Überzeugung, dass je mehr Partnerinnen man beglückt und je öfter man Sex hat, desto erfülltere Sexualität man hat. Die Anzahl der sexuellen Partner bestimmt aber auf keinen Fall die Qualität des sexuellen Erlebnisses. In längeren Beziehungen mit demselben Partner entwickeln sich Geborgenheit und Vertrauen, die es den Partnern erlauben, sich zu öffnen und eine tiefere Nähe zu erleben.
Was sind Ihre Glaubenssätze in Bezug auf Sexualität, Partnerschaft und Liebe? Welche unterstützen Sie und welche hemmen Sie? Welche könnten hinter Ihrer sexuellen Blockade stehen? Nur wenn Sie Ihre persönlichen Grundüberzeugungen kennen, können Sie dauerhaft und wirkungsvoll Ihre Sexualität und Ihr Leben verändern. Überprüfen Sie Ihre alten Vorstellungen und Glaubenssätze und aktualisieren Sie sie. Das lohnt sich!
Artikel: Daniela Dvoretska