Eskalationsdynamik des Paarkonflikts
Anne und Bernd streiten miteinander. Anne sagt oder tut etwas, wodurch sich Bernd angegriffen fühlt. Er ist daher frustriert und greift als Reaktion Anne leicht an. Das führt dazu, dass jetzt Anne ebenfalls frustriert ist und ihrerseits Bernd angreift, sogar ein bisschen stärker als Bernd. Die Frustration wächst, keiner will aufgeben und die Aggression auf beiden Seiten nimmt bei jedem Wortwechsel zu. Dabei fühlt sich jeder als Opfer, versteht das eigene Verhalten als Verteidigung und sieht sich im Recht. So schaukelt sich die Auseinandersetzung hoch, bis es zu einem Punkt kommt, an dem einer von beiden die Grenzen des anderen überschreitet und der Konflikt in Gewalt ausartet.
Das anfangs beschriebene Beispiel ist typisch für einen Konflikt in der Partnerschaft.
Meist haben die
Partnerschaftskonflikte einen ähnlichen Verlauf und weisen die gleiche innere Dynamik auf. Es
beginnt mit einem unerfüllten
Bedürfnis und endet in einer von Gewalt geprägten, verzerrten Kommunikation. Wie kommt es dazu?
Folgendes Schema erklärt die
Entstehung und die Dynamik eines Paarkonflikts:
Zu einem Konflikt kommt es, wenn die Beteiligten aus ihrem Gleichgewicht gerissen werden.
- Anfangs haben die Beteiligten Bedürfnisse (nach Ruhe, Sicherheit, Anerkennung, Nähe etc.), die die Beteiligten aus ihrem Gleichgewicht reißen. Sie streben eine Befriedigung dieser Bedürfnisse an, um ihr inneres Gleichgewicht herzustellen.
- Für die Befriedigung dieser Bedürfnisse werden Wünsche formuliert (z. B. eine Auszeit, ein Vertrag, ein Lob, eine Umarmung). Wenn die Wünsche erfüllt werden, herrscht innere Zufriedenheit und es kommt zu keinem Konflikt.
- Wenn die Wünsche nicht erfüllt werden, empfindet man Enttäuschung oder Frustration. Enttäuschung als Reaktion ist von Bedauern, aber auch von Akzeptanz geprägt, wohingegen der Frustration eine Ablehnung zugrunde liegt. Frustration ist eine normale Reaktion, eine Phase der Verarbeitung des inneren Konflikts. Problematisch wird es, wenn sich die Frustration anstaut, denn in Konflikten führt das zu einer schnelleren Reizbarkeit und Explosionsbereitschaft. Die Frustration hängt von unseren Erwartungen ab – je höher unsere Erwartungen sind, desto größer ist die Frustration.
- Die entstandene Frustration kann vergehen oder sie kann sich in Zorn umwandeln. Zorn ist nicht gefährlich, er ist ein heftigerer Ausdruck von Unzufriedenheit, ist aber meist nicht gegen den Anderen gerichtet. Dennoch wird er oft als persönliche Bedrohung wahrgenommen.
- Der Zorn kann sich mit der Zeit auflösen oder sich zu Aggression wandeln. Mit der Aggression beginnt der eigentliche Konflikt. In diesem Zustand fühlt man sich von allem leicht angegriffen. Alleine ein Wort oder eine Geste können als Angriff verstanden werden und Aggression auslösen.
- Die Aggression führt zu Gewalt, ob in körperlicher oder in verbaler Form. In dieser Phase ist der Konflikt nur destruktiv und eine Lösung ist nur nach einer Deeskalation möglich.
Auf jeder der oben beschriebenen Stufen kann man gegen die Konflikteskalation wirken. Hier unsere Deeskalationstipps:
- Um die Intensität des Konflikts zu entschärfen, hilft es kurz innezuhalten und still zuzuhören. Während Sie und Ihr Partner sich wieder langsam beruhigen, fragen Sie nach den Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen.
- Auf den Ebenen der Bedürfnisse und der Wünsche (s. o.) ist es wichtig, dass Sie diese erst richtig erkennen. Lassen Sie dann zu, dass sie geäußert werden – sowohl Ihre, als auch die Ihres Partners. Versuchen Sie, sie anzuerkennen und zu akzeptieren. Ein konkreter Lösungsvorschlag hilft, den Fokus von dem Problem hin zur Lösungssuche zu verlegen.
- Wenn Sie auf der Ebene der Frustration sind, lassen Sie es zu, dass sie geäußert wird. Begegnen Sie ihr hinnehmend und respektierend. Messen Sie der Frustration Bedeutung zu und kehren Sie zum Bedürfnis zurück.
- Auch auf der Zorn-Ebene hilft es, das Gefühl zuzulassen und ihm freien Raum zu geben. Es wird Ihnen helfen, den Zorn zu verstehen und anzunehmen, wenn Sie ihn als Folge der Frustration aufgrund der unbefriedigten Wünsche und Bedürfnisse betrachten.
- Wenn Sie zu der Ebene der Aggression gekommen sind, versuchen Sie, sie zu kanalisieren. Lassen Sie zu, dass Zorn geäußert wird, aber warnen Sie vor Gewalt und weisen Sie sie zurück. Gehen Sie noch einmal auf das Bedürfnis ein und interpretieren Sie es.
- Falls sich der Konflikt zur Gewalt entwickelt, versuchen Sie, sie aufzulösen. Auch hier sollten Sie Zorn zulassen, aber sich behaupten und Gewalt zurückweisen. Drohen Sie, wenn notwendig mit Sanktionen. Kehren Sie zum Bedürfnis zurück und äußern Sie Verständnis.
Oft scheinen Konflikte zerstörerisch und werden meist negativ bewertet. Konflikte eröffnen aber neue
Möglichkeiten zur Veränderung
und erlauben eine Neugestaltung unbefriedigender Situationen. Dieser positive Aspekt darf nicht
vergessen werden und Konflikte
sollten deshalb nicht vermieden, sondern als eine Chance betrachtet werden. Erst wenn ein Streit
eskaliert, wird er destruktiv und
vernichtend. Um Konflikte möglichst gewaltfrei und konstruktiv auszutragen, ist es wichtig, die
Dynamik des Konflikts zu erkennen,
um die negative Entwicklung rechtzeitig zu dämpfen. Wir hoffen, dass unsere Tipps Ihnen dabei
helfen.
Weitere Tipps bekommen Sie in unserem Seminar
Hör
mir endlich zu – Konflikte in der Partnerschaft
oder in unserer
Paarberatung.